TERAART

Erforschung der Hintergründe unterschiedlicher Zerstörungsgrade von Wandmalereien innerhalb reformatorischer Bewegungen durch Untersuchungen mittels THz-Strahlung

In den „Vertrauten Gesprächen“ des Erasmus von Rotterdam aus dem Jahre 1525 findet sich ein Dialog, in dem sich der Theologe mit den Auswüchsen des katholischen Glaubens auseinandersetzt und sich über das Reliquienwesen und eine falsche Bilderfrömmigkeit lustig macht. Schon im „Lob der Torheit“ von 1509 hatte der niederländische Gelehrte vor den Gefahren eines neuen Heidentums gewarnt. So beißend der Spott aber auch sein mag, Erasmus hat nie zum Bildersturm aufgerufen, noch mit den Bilderstürmern sympathisiert. In dem eingangs genannten Dialog macht er lediglich auf das grundlegende Problem der Bilderfrömmigkeit aufmerksam: Es seien weniger die Bilder selbst, als vielmehr die falschen Christen, die die Heiligen und die Gottesmutter für ihre Wünsche instrumentalisieren würden. Zugleich aber droht der Theologe den Reformierten auf scherzhafte Weise, wenn er die Gottesmutter sagen lässt, die Heiligen könnten sich mit ihren Marterwerkzeugen an den Bilderstürmern rächen. Hier äußert sich ein fundamentaler Konflikt, an dessen Ende eine Neubewertung des Verhältnisses von Transzendenz und Lebenswelt steht.


Worauf ich hinaus will, ist der implizite Widerspruch. Erasmus teilt zwar die Skepsis der reformierten Christen gegenüber der Bilderfrömmigkeit, muss diese aber als „an sich“ unschuldige Sache darstellen. Daraus erwächst für die Forschung die Notwendigkeit empirischer Untersuchung.

Wir sind aufgefordert, unsere Hypothesen durch naturwissenschaftliche Beobachtung zu unterstützen. Insbesondere für den Bereich der Wandmalerei liegen keine Untersuchungen vor. Dies ist umso erstaunlicher, als diese seit fast 500 Jahren unter der ikonoklastischen Kalktünche konserviert wurden.


Für Erasmus wie für Luther gilt, dass sie in der Bilderfrage politisch lavieren. Sie reagieren auf aktuelle Ereignisse und kümmern sich wenig um Kohärenz.

Auch der pragmatische Umgang der jungen protestantischen Gemeinden mit den altgläubigen Bildwerken ist meist nicht von einer zerstörerischen Ablehnung geprägt. Bleibt die Radikalität des Bildersturms die Ausnahme? Oder zeigt die Beschreibung des Bildersturms in Basel durch Erasmus nicht vielmehr, dass wir es mit einem weiter verbreiteten Phänomen zu tun haben. (Zitat: Erasmus, Brief vom 9. Mai 1529:) „ Von Standbildern wurde nichts unversehrt gelassen, weder in den Kirchen noch in den Vorhallen noch in den Kreuzgängen noch in den Klöstern. Was von gemalten Bildern vorhanden war, wurde mit einer Übertünchung von Kalk bedeckt; was brennbar war, wurde auf den Scheiterhaufen geworfen, was nicht, wurde Stück für Stück zertrümmert. Weder Wert noch Kunst vermochten, dass irgend etwas geschont wurde“ Heute wird dem Protestantismus zumeist konservierende Kraft zugesprochen. Mit der Reformationszeit ist eine Umbruchsituation gegeben, die regional stark differierte und einer neuen mikrohistorischen Datenerhebung bedarf.

Wir sind so sehr an das Erscheinungsbild protestantischer Kirchen mit ihren weiß gekälkten Wänden gewöhnt, dass wir oft vergessen, dass zahlreiche Gotteshäuser ursprünglich katholisch waren – und natürlich reich mit Bildern ausgeschmückt.


Was wäre, wenn wir mit „Röntgenaugen“ durch die weißen Übermalungen blicken könnten? Dann könnten wir zum ersten Mal überprüfen, ob es vielleicht doch Ausschreitungen gegen Bilder gegeben hat.

Im Hinblick auf die Wandmalerei ist die Frage ungeklärt, ob sie wie bei Altargemälden zerstört, oder ob sie in einer geplanten Aktion übertüncht worden sind? Wir könnten Ausstattungsprogramme – etwa der sächsischen Kunstlandschaft – miteinander vergleichen. Wir könnten nach besondern Malereien Ausschau halten, die wir in bestimmten Kirchen vermuten. Wir könnten aber auch entdecken, dass es mehrere Malschichten gibt, die uns darüber berichten, zu welchen Zeiten ein Kirchen- oder profaner Raum neu gestaltet wurde. Damit sind nur vier exemplarische Fragen benannt, die sich bislang kaum beantworten lassen.

So ist es gleich in mehrfacher Hinsicht wünschenswert, verdeckte Wandmalereien wieder lesbar zu machen. Bisher stehen dafür nur mechanische Freilegungsmethoden mit ihren Risiken und irreversiblen Ergebnissen zur Verfügung, besonders dann, wenn sich über den mittelalterlichen Erstfassungen spätere Malereien befinden, die oft nicht weniger erhaltenswert sind. Daher müssen zerstörungsfreie Untersuchungsmethoden entwickelt werden, die eine Freilegung und damit Gefährdung der Wandmalereien vermeiden und sie dennoch sichtbar machen.
Um dieses Problem zu lösen, wird seit mehreren Jahren versucht, bekannte zerstörungsfreie Untersuchungsmethoden, wie die Infrarotreflektografie und die hochauflösende Georadaruntersuchungsmethode, weiterzuentwickeln. Während Infrarotstrahlungen nur ein geringes Eindringungsvermögen in feste Materialien besitzen, sind die Radarstrahlen zu langwellig, um die notwendigen Tiefenauflösungen zu erreichen. Auch durch ultraviolette Strahlung können nur oberflächennahe Informationen fluoreszierender Malmaterialien gewonnen werden.


Gefordert ist demnach eine Methode, die die „diagnostische Lücke“ zwischen den Infrarot- und den Radarstrahlen schließt und somit die Vorteile beider Strahlungen, die hohe Ortsauflösung der Infrarotstrahlen mit dem guten Eindringungsvermögen der Radarstrahlen, verbindet.

Zwischen beiden Frequenzbändern liegen die Teraherzwellen, deren künstliche und kontrollierte Erzeugung erst seit wenigen Jahren möglich ist. Über die Nutzung der Teraherzwellen kann eine neue zerstörungsfreie Untersuchungsmethode erschlossen werden, mit der die Sichtbarmachung verdeckter Malereien möglich ist. Dabei können wir uns allerdings nicht auf die alleinige Anwendung einer gegebenen Methode beschränken, sondern müssen diese für die geforderte Applikation zu allererst qualifizieren.
Die naturwissenschaftliche und technische Entwicklung der Teraherzmethode soll mehrstufig erfolgen. Nach grundsätzlichen Versuchen, die Wechselwirkungen der Teraherzstrahlen mit den mineralischen Baustoffen und Malmaterialien zu untersuchen, können an Modellprüfkörpern mit Hilfe eines universell beweglichen und drehbaren Prüfkopfes im Labor alle vorhersehbaren Effekte der Struktur- und Materialanalyse sowie der Signalauswertung und -darstellung simuliert werden. In einer dritten Phase werden diese Erfahrungen genutzt, um einen vorhandenen mobilen XY-Scanner an diese Problemlösung anzupassen und damit die Voraussetzungen für die systematische Untersuchung von verdeckten Wandmalereien zu schaffen.

Die Untersuchungsobjekte wurden von verschiedenen Denkmalpflegeämtern Deutschlands, Österreichs und der Schweiz auf Anfrage hin benannt. Daraus ergab sich eine Gruppe von etwa 25-30 Objekten, die zunächst kunsthistorisch und maltechnisch untersucht werden, ob die jeweilige bisher bekannte reformatorische, ikonoklastische Annahme einer näheren Prüfung stand hält und ob die weitere Erforschung einen maßgeblichen Erkenntnisfortschritt zur Frage der reformatorischen Bildpolitik verspricht. Das Projekt will in exemplarischer Weise 3 Objekte studieren. Zunächst ist daran gedacht, die Möglichkeiten und Grenzen der Teraherz-Technologie an einem ausgewählten Beispiel, voraussichtlich der Speise- und Trinkstube im Flaschenturm des Schlosses Hartenfels in Torgau anzuwenden und weiterzuentwickeln. An weiteren zwei bis maximal drei Objekten werden dann systematische, maltechnische und zerstörungsfreie naturwissenschaftliche Untersuchungen vorgenommen, um an diesen Wandmalereien jene Aussagen zu gewinnen, die zur Beantwortung der Fragen nach dem Charakter und der Radikalität der verschiedenen reformatorischen Bewegungen von Bedeutung sind. Dabei ist angedacht die Fürstenstube im Wittenberger Schloss zu untersuchen, um schließlich mit dem Basler Münster ein prominentes Beispiel staatlich verordneten Bildersturms ins Zentrum zu rücken.

Ziel ist es auch, die „diagnostische Lücke“ zwischen Infrarotreflektografie und Georadarsondierung durch die Teraherzmethode zu schließen und so der Palette der zerstörungsfreien Untersuchungsmethoden ein weiteres naturwissenschaftliches Hilfsmittel für Historiker, Kunsthistoriker, Archäologen, Bauforscher, Restauratoren und Denkmalpfleger hinzuzufügen. Wollen wir in der geisteswissenschaftlichen Forschung nicht das Bekannte wiederholen oder mit anderen Worten sagen, so benötigen wir neue und andersartige empirische Daten.

Die Ergebnisse der einzelnen Projektphasen werden in Fachkolloquien, Veröffentlichungen und im Internet der Öffentlichkeit präsentiert.

Gefördert vom Bundesmisnisterium für Bildung und Forschung
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